„Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören.“ Können wir uns so etwas in unserer heutigen Zeit vorstellen? Viele Menschen in unserer Umgebung, in unseren Familien, sind von der Kirche, von Jesus, ja überhaupt vom Glauben an Gott entfremdet. Sie sind überhaupt nicht neugierig auf die Botschaft von Jesus. Warum ist das so? Sprechen wir mit unseren Mitmenschen überhaupt nicht mehr über Jesus und seine Botschaft? Spricht „die“ Kirche, eine Sprache, die die Menschen nicht mehr verstehen (können)? Oder ist „die“ Kirche selbst zum Problem geworden, steht sie selbst ihrer Botschaft im Weg?
Wenn wir so mitbekommen, was sich in letzter Zeit in den Medien abspielt, welche „Kirchenskandale“ dort - oft mit viel Genuss - verbreitet und ausführlich besprochen werden, dann ist die Gefahr sehr groß, dass diese Kirche überhaupt ihre Glaubwürdigkeit verliert, den Menschen nichts mehr zu sagen hat, niemand mehr auf sie hört.
Dabei fällt mir ein, dass diese Kirche in ihrer Lehre immer schon gesagt hat: „Wir sind eine sündige Kirche!“ Die Kirche besteht nun einmal nur aus Menschen, die unvollkommen, fehlerhaft und sündig sind. Eine andere Kirche gibt es nicht. Das war vom Anfang an so. Denken wir daran, welche Menschen zu Jesus gehörten: Der eine hat ihn bis zu dreimal verleugnet und aus Angst um sich selbst gesagt: „Ich kenne diesen Jesus nicht“. Und der andere hat ihn ans Kreuz geliefert. Alle sind bei seiner Gefangennahme geflüchtet. So hat die Kirche angefangen! Und trotzdem: Jesus hat es gewagt, diese schwachen und sündigen Menschen zu seinen Mitarbeitern zu machen und durch sie ist dann - trotz allem - eine Weltbewegung entstanden, das Christentum, die Kirche. Wer aber ein wenig die Kirchengeschichte durch die Jahrhunderte kennt, weiß, wie oft viele Mitglieder dieser Kirche Mist gebaut haben, oft in den höchsten Reihen. Trotzdem verdanken wir unseren Glauben dieser Kirche.
Der Evangelist Lukas schreibt sein Evangelium ca. 50 Jahre nach dem Tod von Jesus. Er richtet es an eine Handvoll Christen, eine kleine Minderheit, die es nicht leicht hat, ihren christlichen Glauben zu leben. Sie werden angefeindet. Vielleicht hat Lukas bei seinen Christen eine Art Resignation gespürt: „Was können wir in dieser Welt schon machen? Wie können wir das Interesse der Menschen für den christlichen Glauben wecken? Wie können wir sie so auf Jesus aufmerksam machen, dass sie sich von Jesus etwas erwarten?“ Hat Lukas nicht deswegen die heutige Szene beschrieben?
Jesus hat einfache, keine hochgebildeten Menschen um sich gesammelt. Petrus, Jakobus, Johannes waren Fischer, die tagtäglich auf den See Genezareth hinausfahren mussten, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Gerade zu ihnen hat Jesus gesagt: »Habt keine Angst! Ich werde euch zu Menschenfischern machen!« Diese Freunde von Jesus machen immer wieder die Erfahrung, wie schwer das ist: „Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen!“ Die Erfahrung von Misserfolgen und vergeblichen Mühen! Trotzdem sagt Petrus: „Weil du es sagst, wollen wir die Netze noch einmal auswerfen.“ Wir, erfahrene Fischer, wir wissen, dass es nicht sehr sinnvoll ist, tagsüber fischen zu gehen. Das spricht gegen die Vernunft. Aber weil du es sagst.... Es scheint hoffnungslos zu sein, aber weil du uns drängst, versuchen wir es trotzdem wieder. So will der Evangelist Lukas seinen Christen Mut machen und sie motivieren.
Sind wir bereit, in unserem persönlichen Umfeld, in der heutigen Zeit, Menschen für Jesus zu gewinnen, jeder in der Weise, die ihm angemessen ist und die er immer wieder neu erfinden muss? Es wird davon abhängen, wie groß der Einfluss von Jesus auf uns selbst ist, wie stark wir selbst uns von ihm angesprochen fühlen. Dann erst können wir mit Petrus beschließen: „Weil du es sagst...“ Natürlich auch im Bewusstsein von Petrus: Ich bin ein unvollkommener und oft sündiger Mensch. Ich bin oft schwach und oft wenig überzeugend! „Habt keine Angst...“, sagt Jesus - auch zu uns. Wir machen ständig Werbung für Bücher, die wir selbst gelesen, für Filme, die wir gesehen, für gute Urlaubsgebiete oder -quartiere, die wir besucht haben. Warum haben wir dann diese Scheu, von Jesus und von unserem Glauben an ihn zu reden? „Fürchte dich nicht!“, sagt Jesus. Habt Mut, auch wenn der Erfolg sehr bescheiden ist.